Interpretation und Edition
Siegbert Rampe, Protagonist der Alten Musik, ist am 2. Februar 2025 verstorben.
Charlotte Seither wurde 1965 in Landau/Pfalz geboren und studierte Komposition, Klavier, Germanistik und Musikwissenschaft in Hannover und Berlin. 1998 promovierte sie zum Doktor der Philosophie. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter den 1. Preis im Internationalen Kompositionswettbewerb „Prager Frühling“ (1995), den Förderpreis der Ernst von Siemens Musikstiftung (2003), den 1. Preis im Internationalen Kompositionswettbewerb „Premi International Ciutat de Palma “ (2004), den Praetorius Musikpreis des Landes Niedersachsen 2010, den Pfalzpreis Musik 2012 und den Deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie Zeitgenössische Chormusik 2014. Als „Artist in residence“ lebte und arbeitete sie u. a. in der Cité des Arts Paris (1999), im Palazzo Barbarigo Venedig (1993), in der Villa Aurora Los Angeles (2000) und 2009 in der Villa Massimo Rom. 2013 war sie Stipendiatin der Villa Concordia Bamberg. Nach einer Gastprofessur an der Hochschule für Künste Bremen (2002) war sie dort weiterhin als Lehrbeauftragte für Neue Musik tätig, weitere Lehraufträge und Lehrstuhlvertretungen, unter anderem 2021 die Lehrstuhlvertretung für Komposition an der Hochschule für Musik und Theater München, folgten. Ihre Werke kommen auf zahlreichen Festivals zur Aufführung, u. a. mit dem BBC Symphony Orchestra London, dem Tschechischen Rundfunksinfonieorchester Prag, dem ASKO Kamerkoor, beim IFWM-Festival Seoul, dem GRAME Festival Lyon, Nuova Consonanza Rom, LACMA Los Angeles und GAUDEAMUS Amsterdam. Sie ist Mitglied im GEMA-Aufsichtsrat, Beirat GEMA-Stiftung, Bogliasco Foundation Fellow Advisory Council / Italien, Vorstand des Deutschen Komponistenverbands (DKV), sie ist seit 2021 Vorsitzende des Fachbeirats Musik der Guardini Stiftung Berlin sowie Mitglied im Vorstand des INMM Darmstadt. Jury-Mitglied war sie zuletzt: Paul Abraham Kompositionspreis für zeitgenössisches Musiktheater, Musikpreis Sachsen-Anhalt 2022, Concorso Internazionale di Composizione per Orchestra „2 Agosto“ di Bologna 2022, Neustart Kultur I – Förderprogramm des Deutschen Musikrats, Neustart Kultur II – Förderprogramm des Deutschen Musikrats, Neustart Kultur III – Förderprogramm des Deutschen Musikrats, Deutscher Musikwettbewerb Komposition, Förderprogramm Repertoirebildung des Landesmusikrats NRW, EZM Förderung Orchestermusik des Deutschen Musikrats.
2021 fanden die Uraufführungen von „fragend licht“ (2021) für 8-stimmigen Kammerchor und zwei Violoncelli, Jubiläumskonzert zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl, Ensemble Vocantare Berlin, Leitung: Tobias Walenciak, statt sowie von „Ferne Begegnung. Trois Adieux für Ludwig van B.“ (2018) für Kammerorchester, Deutscher Orchesterwettbewerb Bonn 2020/21, Preisträger-Orchester des Wettbewerbs (coronabedingter Nachholwettbewerb online). 2022 wurde unter anderem „Sisters“ (2022) für Violine, Violoncello und Klavier, Auftragswerk des rbb für das Deutsche Symphonie Orchester, uraufgeführt und in der Spielzeit 2023/24 des Musiktheaters im Revier Gelsenkirchen findet die Premiere des Bühnenwerks „Fidelio schweigt. Dialog-Oper“ statt.
Leonore ist kein Opfer mehr. In „Fidelio schweigt“ für das Musiktheater im Review Gelsenkirchen wird die bloß Liebende zum handelnden Subjekt und emanzipiert sich damit von dem bekannten, allzu bekannten Stoff.
Beethovens Oper „Fidelio“ ist ein Solitär auf den Theaterbühnen. Was sich für andere Opern erst im Laufe ihrer Aufführungsgeschichte etablieren musste, galt für Fidelio von Anfang an: Die Oper spielt im Hier und Jetzt. Die Widersprüche des Werkes, mit denen Beethoven bereits selbst kämpfte, bleiben bis heute bestehen: Der Text, die Erzählweise, die historische Theaterform, die Figuren, die gesprochenen Dialoge – all dies scheint einer zeitgenössischen Betrachtung bis heute eher Widerstand entgegenzusetzen, so dass stärkere Hebel gefunden werden müssen.
„Opfer ist, wer nicht handelt“, so kommentiert die Komponistin Charlotte Seither die Leitlinie von Leonore, der Protagonistin in ihrem neuen Bühnenwerk „Fidelio schweigt“. „Ich habe, gemeinsam mit Hermann Schneider, genau das beiseite geschoben, was der Stoff historisch für mich verengt, um Platz zu machen für das, was mich interessiert: die Aufhebung des Opferzwangs von Frauen. In meinem Stück ist Leonore kein Opfer mehr. Sie ist nicht mehr die bloß Liebende, kein Attribut des Mannes mehr – sie wird zum handelnden Subjekt, das am Ende über traditionelle Rollenmuster hinaus auf Augenhöhe steht zu allen anderen Mächtigen, die sie umgeben. Hoffnung bleibt – auch bei Beethoven – ja immer leer, wenn ihr kein Handeln folgt. Das alleine würde als Thema ein solches Stück ja schon rechtfertigen. Als Frau tritt Leonore aus ihrem Kontext heraus und wird fähig zur Macht, indem sie handelt. Dabei bleibt sie verletzlich, Empathie und Macht schließen sich also keineswegs aus, wenn man wirklich handlungsfähig ist. Darum geht es mir.“
An dieser Schnittstelle zu Beethovens Original setzt das Musiktheaterstück „Fidelio schweigt“ an, eine „Dialog-Oper“, wie die Komponistin selbst ihre musiktheatralische Form bezeichnet. Die langjährige Auseinandersetzung, die selbst Beethoven noch mit dem Sujet und der Gattung verfolgt hat, wird hier einfach weitergedacht und macht den Inhalt selbst zum transitorischen Objekt: Das Stück beginnt mit dem zweiten Akt, die Hälfte des Werkes wird gekürzt. „Wo gehandelt wird“, so die Komponistin, „da müssen auch ungewohnte Eingriffe getätigt und scheinbar unabdingbare Ordnungen außer Kraft gesetzt werden.“ Original (Beethoven) und Einlassung (Seither) folgen somit in neuer Folge auf- und nebeneinander und eröffnen so einen eigenen Erzählstrang, der gleichzeitig nach vorne verweist wie auch zurückblickt: „Form ist Gegenwart“, so Charlotte Seither: „Nur, wenn wir nicht wissen, ob im Ende nicht doch ein neuer Anfang und im Anfang ein neues Ende verborgen ist, werden wir der Oper als Gattung auch heute noch gerecht.“
Gemeinsam mit dem Librettisten und Regisseur Hermann Schneider stellt die Komponistin den Blick auf Leonore in den Mittelpunkt, deren Verkleidung als Mann in Fidelio schweigt ausgedient hat. Leonore handelt, sie geht in die Welt und gestaltet sie. Das Doppelspiel des Fidelio – das Modell der Übernahme männlicher Verhaltensmuster – ist damit endgültig überwunden, es ist verstummt. Auch in der übrigen Erzählung wird der Kern der Handlung auf vier Hauptakteure konzentriert, Nebenrollen fallen weg. „Wo gehandelt wird, da muss auch Vertrautes losgelassen, da muss man auch Wahrheit im Klartext benennen können, auch wenn das manchmal vielleicht sehr direkt oder auch verletzend sein kann“ (Charlotte Seither).
„Ich habe mich entschieden“, so die Komponistin, Beethovens Kompositionsweise mit einem scharfen Seziermesser zu begegnen. Dabei belasse ich seine Musik im Original, setze aber klare vertikale Schnitte, in die ich meine eigene Musik hinein baue. Mir war wichtig, dass beides, Beethovens Originalnummern wie auch meine Musik bis auf den allerletzten Schluss weitgehend ,pur‘ erklingen. Zitate, Anekdotisches, wie auch jede Art von historisierendem Kunsthandwerk lehne ich ab.“
Am Ende der Dialog-Oper kommt es zu diversen Überschreibungen, die Klangebenen durchkreuzen sich in immer kürzeren Abständen. „Wenn man so will, ist die Form des Stückes eine abstrakte Replik auf das diskursive Denken im Spätwerk Beethovens, es endet also im Kleinen, Zeitgenössischen, von niemand Erwartetem, im Hier und Jetzt und vielleicht dennoch in einer ganz persönlichen Form von Utopie, die mich auch heute noch umtreibt“ (Charlotte Seither).
Stephan Steinmetz/Charlotte Seither
(aus [t]akte 1/2024)
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